Nie wieder rechtfertigen

Erstmal sacken lassen. Das war wohl die häufigste Antwort der DFB-Kicker auf die Frage nach einer Einordnung des triumphalen Titelgewinns bei der Fußball Weltmeisterschaft 2014. Weltmeister. Es gibt wenig, das im Tagesgeschäft Fußball eine so nachhaltige Wirkung auf eine Mannschaft und auch jeden einzelnen beteiligten Spieler entfaltet. Die Wucht der Bilder des jubelnd abdrehenden Mario Götze, des blutenden Bastian Schweinsteiger oder des Pokal reckenden Philipp Lahm sind enorm. Sie werden bleiben. Ihr ganzes Leben lang. Weit über den Verlauf ihrer Fußballkarriere hinaus. Gerade für Bastian Schweinsteiger und Philipp Lahm war dieses Spiel der definierende Moment ihrer Laufbahn.

Ein Spiel stand für Lahm und Schweinsteiger zwischen dem Label unvollendet oder vollendet. Wie oft hatten sich Lahm und Schweinsteiger gerade nach der Saison 2011/2012 kritische Fragen und Kommentare gefallen lassen müssen. Ein großes Aber schien ihre erfolgreiche Karriere bis dahin zu begleiten. Ein Spiel, 120 Minuten, 5-6 kritische Szenen, die dieses Spiel in die ein oder andere Richtung hätten verändern können. Am Ende dieser 120 Minuten steht die Vollendung. Nach dem Champions League-Sieg mit dem FC Bayern im Jahr 2013 auch der Weltmeister-Titel 2014. Mehr geht nicht. Die Zeit der Rechtfertigungen, der Relativierungen endet mit dem 1:0-Erfolg über Argentinien.

Es ist schon bemerkenswert wie sich diese beiden Spieler seit ihrem gemeinsamen Profi-Debüt für den FC Bayern in einem unbedeutenden Champions League Spiel gegen Lens im Jahr 2002 nebeneinander her entwickelt haben. Ihr fußballerischer Weg ist eng verknüpft. Und doch sind sie sowohl in ihrem Spiel, als auch ihrer Persönlichkeit verschieden. Lahm ist die große Konstante der letzten 10 Jahre. Sowohl beim FC Bayern als auch in der Nationalmanschaft. Sein Entwicklung verlief stetig. Sein Spiel hat sich in dieser Zeit in seinen Grundzügen kaum verändert – es wurde höchstens sicherer und reifer. Egal ob als Linksverteidiger, Rechtsverteidiger oder zuletzt im zentralen Mittelfeld – Lahms Leistungen blieben konstant. Seine Passsicherheit, seine unfassbare Ruhe, seinen Zug im Hinterlaufen und seine unterschätzten defensiven Qualitäten kennzeichnen sein Spiel. Als Linksverteidiger zog es ihn naturgemäß mit Ball etwas mehr in die Mitte, als Rechtsverteidiger entwickelte er sich zu einer Mischung aus einem aktiv hinterlaufendem Rechtsaußen und einem diagonal orientierten Aufbauspieler. Im Zentrum konzentrierte er sich auf die Balance und die offensiven wie defensiven Verbindungen. Und doch ist es seine große Qualität, dass es in seinem Spiel kaum einen Unterschied ausmacht, ob er im WM-Finale antritt oder in der Bundesliga gegen den SC Freiburg aufläuft. Eine solche Konstanz auf so hohem Niveau über einen so langen Zeitraum habe ich zumindest in den letzten 10 Jahren bei keinem Fußballer gesehen.

Schweinsteigers Entwicklung verlief anders. Aus dem zunächst wilden, risikofreudigen später häufiger verunsicherten Flügelspieler wurde vor knapp fünf Jahren ein spielstarker, torgefährlicher zentraler Mittelfeldspieler. Hier stieß er in die Weltklasse vor, weil er sich vor allem taktisch und physisch weiterentwickelte. Verletzungen, sportliche Misserfolge wie das verlorene Champions League-Finale 2012 oder die darauf folgende Europameisterschaft – Rückschläge gab es für ihn auch danach noch genug. Nicht mal der Sieg im Champions League-Finale 2013 wischte bei vielen Kritikern, die Zweifel, die mal in seinem (angeblich) langsamen Spiel, mal an seinem öffentlichen Auftreten festgemacht wurden, weg. Auch für Schweinsteiger ist mit dem WM-Titel die Zeit der Rechtfertigungen vorbei. Anders als Lahm hat es in Schweinsteigers Spiel immer gewisse Schwankungen geben. Gerade nach kleineren oder größeren Verletzungen tat sich Schweinsteiger schwer seinen Rhythmus zu finden. Sein Spiel ist aufwändig. Laufintensität und Aggressivität sind Elemente, die einen großen Einfluss auf die Qualität seines Spiels haben. Sie sind häufig die Grundlage dafür, dass Schweinsteiger Struktur- und Taktgeber im Mittelfeldzentrum sein kann. 15,3 Kilometer lief Schweinsteiger im WM-Finale – mehr als jeder andere Feldspieler. Schweinsteiger steckte die meisten Fouls ein (6) und war nicht nur verbal der Anführer seiner Mannschaft. Auch er ist endgültig ein Vollendeter.

Für Lahm und Schweinsteiger schließt sich mit dem WM-Titel ein Kreis. Beide sollten jetzt den notwendigen Abstand gewinnen. Der Alltag nach dem historischen Moment wird grau. Der FC Bayern steht vor einer kniffligen Saison mit hochmotivierten Verfolgern und der Herausforderung viele WM-Fahrer im Verlauf der Vorbereitung physisch und mental aufzufangen und sukzessive zu integrieren. Schweinsteiger und Lahm müssen niemandem mehr etwas beweisen. Für sie geht es in den verbleibenden Jahren ihrer Karriere nur noch um den maximalen Erfolg. Für den FC Bayern könnte die Saison 2014/2o15 gerade deshalb der Beginn des Übergangs werden. Neue Spieler, neue Charaktere werden mehr Verantwortung übernehmen (müssen). Dieser Weg könnte holprig werden. Lahm und Schweinsteiger werden dabei auch Niederlagen und Rückschläge kommentieren und verkraften müssen. Rechtfertigen brauchen sie sich zumindest mit Blick auf ihre Karriere endgültig nicht mehr.

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14 Antworten zu Nie wieder rechtfertigen

  1. derbolzplatz schreibt:

    Toller Artikel. Der Weltmeistertitel ist der Höhepunkt zweier großartiger Karrieren. Beide haben eine klasse WM gespielt, insbesondere Schweinsteiger, der sich zum Leader des Teams entwickelte. Bemerkenswert war vor allem das Finale, als er ein ums andere Mal gefoult wurde und trotzdem immer wieder aufstand.

    http://www.derbolzplatz.wordpress.com

  2. Manfred72 schreibt:

    Da stehe ich doch mal auf und klatsche Beifall. Super Artikel.
    Und gerade für Bastian macht mich dieser Titelgewinn unendlich glücklich.

  3. Tery Whenett schreibt:

    Vor allem hat diese elende Führungsspielerdebatte jetzt ein Ende, abgesehen von der fußballerischen Diskussion. Die Herren Muster-Leader (die auf dieser Schiene sich gegenüber ihren Nachfolgern profilieren wollten?) sind allesamt weniger erfolgreich. Sei es Kahn, Effenberg, Ballack und wie sie sonst alle heißen.

    Gerade für Schweinsteiger freut das mich unendlich; wie oben ausgeführt hatte er sich auch des öfteren sportlich zu rechtfertigen, was man von Lahm nicht behaupten kann.

  4. wolfpeter schreibt:

    Guter Kommentar, wie gewoehnlich! Danke.
    Schweinsteiger und Lahm haben beide eine super WM gespielt. Und man kann sich nur darueber freuen, dass sich das alte Wort bestaetigt: Ehre wem Ehre gebuehrt .
    Andererseits ist die Fussballwelt von brutalem Realismus und Konkurrenzkampf gepraegt. Fuer die Clubs zaehlt am Ende immer nur der momentane Erfolg und wie sich daraus Kapital schlagen laesst. Vergangene Verdienste schiebt man dann gerne in die Schublade Vereinsgeschichte. Das ist in diesem harten Geschaeft normal und unumgaenglich. Schweinsteiger und Lahm sind auf dem Hoehepunkt ihrer Karriere. Gilt fuer sie der Spruch, wenn es am schoensten ist sollte man aufhoeren? sicher nicht. aber beide muessen sich Gedanken machen, wie es weiter gehen soll.
    Aktive Karriereplanung ist jetzt wichtig. Soll man warten, bis der Club einen auf die Bank setzt oder sich jezt noch die internationale Erfahrung holen, die man braucht , um auch nach einer aktiven Fussballkarriere weiter im „Geschaeft und Gespraech “ zu bleiben? sicher ist es immer besser selber aus einer Position der Staerke zu entscheiden als sich passiv “ verwalten zu lassen.
    Ich wuensche dem Club und den beiden grossen Spielern, dass man eine fuer alle Beteiligten tragfaehige und zufrienstellende Loesung findet.

  5. Don Netzerone schreibt:

    wem als Lahm, Schweinsteiger und Klose hätt man mehr diesen Titel gewünscht? Das Bastian in Berlin von den Fans als „Fussballgott“ gefeiert wurde, hat sicher alle gefreut. Was er, der immer wieder aufstand, geleistet hat, lässt mich euphorisch in Gedanken meinen Hut ziehen.
    Bravo, einfach weltmeisterlich und zurecht mit dem Pokal belohnt.

  6. Klaus schreibt:

    Da kommen gleich Erinnerungen an die Frühzeit unserer Spieler auf. Ich kann mich noch gut erinnern, als ich den Philipp als 6er bei der B-Jugend in Aschheim und den Basti in Unterhaching beim A-Jugendfinale (gegen Bochum???) das erste mal gesehen habe.
    Oder an ein 2-1 der Amateure 2009 in Regensburg. Torschützen Müller und Badstuber. Gerade diese Erinnerungen machen für mich die WM 2014 einzigartig.

  7. Seiko schreibt:

    gegen Bochum???

  8. SP schreibt:

    Eine Frage zu Lahm: Aus der Nationalelf ist er ja jetzt zurückgetreten. Ich kann verstehen, wenn er sagt, er ist Weltmeister geworden, hat sein Ziel erreicht und will sich jetzt noch so lange er spielen kann nur auf Bayern München konzentrieren, da er sich vielleicht die Doppelbelastung nicht mehr zutraut, sondern lieber sagt, er ist 30 und braucht ab und zu Pausen und ist nicht mehr in der Lage, alle Spiele zu machen. Außerdem kommt ja auch noch das Argument, dass er bei der EM schon 32 ist und vielleicht Platz für junge nachkommende Spieler machen kann.

    Was ich dagegen nicht vollständig verstehen kann, ist, dass er noch 4! Jahre im Verein spielt. Ich traue es im zu und bilde mir, sollte es wirklich so ablaufen kein Urteil, da ich nicht alle Hintergründe kenne und nicht in Lahm hineinschauen kann. Das ist seine Entscheidung und die haben alle zu akzeptieren. Ich hatte jedoch bei einem momentanen 4-Jahres-Vertrag schon damit gerechnet, dass er zumindest bei der EM noch mit aufläuft, vor allem, da er ja diesen Titel noch nicht gewonnen hat (Durfte sein letzter großer fehlender Titel sein). Da ich glaube, dass der Ehrgeiz dazu, auch Europameister zu werden, bei ihm eigentlich enorm hoch sein müsste, gehe ich auch davon aus, dass er vielleicht wirklich gemerkt hat, dass sein Körper langsam immer weniger mitmacht.
    Daher habe ich noch eine Frage, deren Antwort möglicherweise alle Fragen zu dieser Situation, die mir im Kopf herumschwirren, erklären könnte: Ist es eigentlich möglich, dass Lahm nicht nur einen Vertrag hat, dass er bis 2018 für Bayern als Spieler verpflichtet ist, sondern, dass dieser Vertrag auch enthält, dass er, sobald es körperlich nicht mehr funktioniert, in das Trainerteam übernommen wird? Hermann Gerland ist ja auch nicht mehr der jüngste und Phillip Lahm als Nachfolger für Gerland hätte schon irgendwie was (Das heißt ja nicht gleich, dass Gerland komplett aus dem Verein verschwindet. Er könnte allerdings wegen seinem Alter ein wenig kürzer treten, weniger Verantwortung übernehmen und sich zum Beispiel wieder verstärkt mit um den Nachwuchs kümmern).

    • Chapeau Philipp schreibt:

      Lahm spielt seit mehr als 8 Jahren englische Wochen auf höchstem Niveau und hat alles gewonnen, abgesehen von einer EM. Was soll jetzt noch kommen? In der Sportpsychologie nennt man das Entlastungs-Depression. Als Spieler ist man mental erschöpft, der Kopf wird nie wieder soviel Energie für den Körper freisetzen können. Sich den ganzen Rummel und das ganze Rumgereise bei Länderspielen nicht antun zu wollen, dann vielleicht noch ne Woche lang die mediale Keule abbekommen wenn man gegen Finnland nur 2:0 gewinnt und was nicht, dass er darauf keine Lust hat, muss doch jeder einsehen.

      Ich bin mir zu 95% sicher das er in den Trainerstab geht:
      – tolles Verhältnis zu Guardiola
      – intelligent und charakterlich einwandfrei
      – credo bei den Mitspielern

      Lahm könnte mal wieder ein richtig toller, großer Vereinstrainer werden, der auch als Spieler alles gewonnen hat. Überleg dir mal wenn wir da alles zuletzt haben scheitern sehen bzw. wer hat nicht alles Trainerschein gemacht und gurkt jetzt bei belanglosen Fernsehsendern rum.

  9. wolfpeter schreibt:

    um Lahm brauchen wir uns nicht zu sorgen. Er hat es nicht nur in den Beinen er spielt „mit Kopf:.“
    Seine Karriereplanung hat er wohl selber in die Hand genommen , das ist entscheidend und sehr richtig. Er bleibt immer am Ball. Ein grosses Vorbild , ein heller Stern am Fussballhimmel-ein Super Star! ,dem ich alles Gute wuensche.

  10. Benderzwilling schreibt:

    Ich bin auch gespannt, was aus Lahm nach der Spielerkarriere wohl werden wird. Würde mich freuen, wenn er Trainer werden würde, so wie er aber (eigentlich schon immer) redet, wird er wohl eher Funktionär. FIFA Präsident, mindestens.

  11. FC Bayern Tickets schreibt:

    Philipp wird nichts medialen machen, Spielerberater oder dergleichen kann ich mir gut vorstellen. Er ist kein Lautsprecher der Woche für Woche auf sich aufmerksam macht, eher ein Typ für hinter den Kulissen 🙂

  12. Micheal Byran schreibt:

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